Big BIM in der Praxis mit Vectorworks

Das Scott Headquarter von IttenBrechbühl

Nachdem IttenBrechbühl bereits 2016 den Arc Award BIM in Gold mit der Realisation der Großforschungsanlage SwissFEL des Paul Scherrer Instituts gewonnen hat, gelingt es 2017, diesen Erfolg mit dem Headquarter von Scott Sports in Givisiez zu wiederholen: Auch dieses Projekt wird mit dem Arc Award BIM in Gold ausgezeichnet. Der Sportartikelhersteller ist seit 1978 im schweizerischen Fribourg ansässig. Der neue Firmensitz soll die Innovationskraft der Bike-Entwickler repräsentativ in Szene setzen.

Headquarter Scott Sports Givisiez FR © IttenBrechbühl
Der Projektabwicklungsplan legt den zeitlichen Rhythmus der Koordinationssitzungen fest. © IttenBrechbühl

IttenBrechbühl plant das Scott Headquarter wie die meisten anderen aktuellen Neubauten mit der BIM-Methode. Erste Erfahrungen mit BIM sammelte IttenBrechbühl mit dem SwissFEL. Damals wie heute wurde damit eine vorausschauende, präzise Planung angestrebt aufgrund einer verbesserten Kommunikation und Koordination der Planungsbeteiligten auf der Grundlage von 3D-Modellen.

Datenaustausch via IFC

Wie bei jedem BIM-Projekt wurden die Ziele für das Scott Headquarter zunächst in einem Projektabwicklungsplan festgehalten. Mit Hilfe der BIM-Modelle wird die gesamte 2D-Plandokumentation erstellt. Im Zentrum stand die Qualitätssicherung und eine disziplinübergreifende Kooperation. Darüber hinaus sollten Erfahrungen mit der modellbasierten Mengenermittlung gesammelt werden. Wichtigste Voraussetzung dafür ist ein flüssiger Datenaustausch. IttenBrechbühl setzt dafür auf das offene Datenmodell IFC (SN EN ISO 16739), das neben der 3D-Geometrie auch Daten transportieren kann. Um späteren Überraschungen vorzubeugen, tauschte das Projektteam von IttenBrechbühl vor der eigentlichen Planung Testdateien unter den beteiligten BIM- und CAD-Programmen der Fachplaner im IFC-Format aus, darunter mit der Basler&Hofmann West AG (HLKS) und der Eproplan AG (E), die mit dem CAD Plancal nova arbeiten.

Als Projektleiterin für das Scott Headquarter legte Tima Kamberi die Ziele der BIM-Planung fest, überwacht den Planungsprozess, stimmt die beteiligten Fachplaner aufeinander ab und leitet die Koordinationssitzungen. Sandro Ryf und Susanne Keller übernahmen die Aufgaben der BIM-Koordination, in dieser Eigenschaft haben sie das 3D-Architektur-Modell aufgebaut.

Es dient als Referenzmodell und ist damit im BIM-Prozess die relevante Grundlage für die anderen Teilmodelle für die Statik, die Haustechnik usw. Ryf sieht es als Vorteil, dass man in einer BIM-Planung gezwungen ist, diszipliniert mit Bauteilen zu arbeiten und frühzeitig Lösungen suchen muss für die komplizierteren Stellen im Projekt:

„Ich schätze die Entscheidungsfreiheit, die mir Vectorworks lässt.“

„Für die ‚speziellen Ecken‘ habe ich die Möglichkeit, anstelle der vorgegebenen Bauteile auch einmal die allgemeinen Modellierwerkzeuge von Vectorworks zu verwenden und ein eigenes Element frei in 3D zu gestalten.“

Das Scott Headquarter von IttenBrechbühl © IttenBrechbühl
Das Scott Headquarter von IttenBrechbühl © IttenBrechbühl

Im Projektabwicklungsplan wurde früh festgehalten, in welchen Abständen die Koordinationssitzungen mit den Fachplanern stattfinden. Die Modelle, beispielsweise das Haustechnik-Modell, das in Plancal nova erstellt wurde, und das Vectorworks-Referenzmodell wurden vor den Treffen im IFC-Format ausgetauscht, damit diese vor der Sitzung überprüft werden können. Stellen die Architekten Kollisionen, Unstimmigkeiten oder Regelverletzungen zwischen ihrem Referenzmodell und dem Teilmodell des Fachplaners fest, lassen sich diese im Solibri Model Checker in einer sogenannten BCF-Datei protokollieren (BCF = BIM Collaboration Format).

Ryf empfindet daher die BIM-Planung keineswegs als Einschränkung seiner Kreativität – im Gegenteil. Susanne Keller setzt neben Vectorworks den Model Checker von Solibri ein. Sie sieht einen beträchtlichen Nutzen von BIM in der Prüfung der Koordination: „Im Solibri Model Checker lässt sich unser Referenzmodell mit den Fachmodellen zusammenführen und kontrollieren. Die automatische Kollisionsprüfung liefert Informationen zur Qualitätsverbesserung. Noch wichtiger ist, dass ich frei im Projekt navigieren kann, um kritische Stellen zu betrachten, Aussparungen zu prüfen, die Höhen zu kontrollieren usw.“

„Die Qualitätskontrolle mit dem Solibri Model Checker ist effizienter und zuverlässiger als die Überprüfung in einem abstrakten 2D-Plan – für mich ist das ein echtes Highlight.“

Die BCF-Protokolldatei verzeichnet z.B. Regelverletzungen zusammen mit den betroffenen Bauteilen, mit dem zuständigen Planer, einem Termin und mit Vorschlägen zur Problemlösung u.a. Die BCF-Datei sendet das Scott-Team von IttenBrechbühl vor der Koordinationssitzung an die Planungsbeteiligten. Diese öffnen die BCF-Datei in ihrer jeweiligen BIM-Software, ein Klick auf den Eintrag leitet den zuständigen Haustechniker zur Stelle im Modell, wo beispielsweise Lüftungsschacht und Tür kollidieren, und er kann vor der Sitzung bereits Möglichkeiten prüfen, die zur Behebung der Kollision in Frage kommen. Ebenso gehen die Architekten und die übrigen Beteiligten in ihren Gewerken vor. Die Sitzung selbst dient dann der Lösungs- und Entscheidungsfindung. „Statt mit Problemen gehen alle mit Lösungen zurück in ihre Büros. Das ist ein großer Fortschritt gegenüber früher, der das Projekt insgesamt flüssiger vorankommen lässt“, meint Susanne Keller.

Marc Pancera, Leiter BIM IttenBrechbühl

Auch Marc Pancera, der als Leiter BIM bei IttenBrechbühl intern neue Teams in die Planung nach der BIM-Methode einführt, betont die Vorteile der Kommunikation über Modelle, die im Vergleich zu früher schneller ist und Missverständnisse vermeidet. „Nicht nur das zeitaufwendige Schreiben von Protokollen nach den Sitzungen entfällt. Ich stelle dazu bei Architektinnen und Architekten wie auch bei den Fachplanern einen höheren Wissensstand zum Projekt fest. Ich führe das darauf zurück, dass Probleme direkt an den Sitzungen gelöst werden, und nicht erst einer Betrachtung im Büro unterzogen werden müssen.“ Und Susanne Keller ergänzt:

„BIM hat die Arbeit und die Kompetenz der Zeichnerinnen und Zeichner insgesamt aufgewertet. Wer modelliert und informiert, weiß genauer über das Projekt Bescheid, als wenn er einen 2D-Plan zeichnet.“

Pancera war verantwortlich für die Umsetzung der komplexen BIM-Planung des SwissFEL mit Vectorworks Architektur. In Zusammenarbeit mit den BIM- Experten bei ComputerWorks gibt er jetzt diese Erfahrung in internen Ausbildungen an Projektleiter und Mitarbeiter weiter.

Besonders für die Strukturierung des 3D-BIM-Modells des Scott Headquarters sind die Erfahrungen vom SwissFEL von hohem Stellenwert: Die Benennung und die Struktur von Ebenen und Klassen, die Geschossigkeit, die Definition des Nullpunkts, der Umgang mit IFC-Daten sowie die verwendeten Wand- und Türstile, Symbole usw.

Für Marc Pancera bedeutet die BIM-Methode, aus Sicht des gesamten Projektteams zu denken und nicht nur aus der des Architekten. Eine Auffassung, die dem Selbstverständnis von IttenBrechbühl als Generalplaner entspricht. Auch für Christoph Arpagaus, Mitglied der Geschäftsleitung, gehen die Möglichkeiten der BIM-Methode über die 3D-Planung hinaus.

„Wir wenden die BIM-Methode konsequent bei allen unseren Neubauten an, weil wir überzeugt sind, dass sich dieses Modell der Zusammenarbeit auf breiter Ebene durchsetzen wird.“

Er versteht darunter eine neue Form der Zusammenarbeit, insbesondere die Projektkoordination und den Austausch von Informationen, zwei Gebiete, auf denen man beim BIM-Projekt Scott Headquarter mehr Sicherheit gewinnen will. Damit etablieren sich Architektinnen und Architekten wieder als Regisseure eines Projekts, die mit ihrem Referenzmodell die Fäden der gesamten Planung in der Hand halten. Das ist keineswegs eine Frage der Firmengröße. Es ist einzig eine Frage des Know-hows und der BIM-Kompetenz der Mitarbeiter und der Geschäftsleitung.

Das Referenzmodell der Architekten wurde in Vectorworks, das Haustechnikmodell in Plancal nova erstellt © IttenBrechbühl

Über IttenBrechbühl

Das Architekturbüro und Generalplanerunternehmen Itten+Brechbühl AG hat rund 320 Mitarbeiter, die in der Lage sind, große und komplexe Gebäude von der Grundplanung bis zur Inbetriebsetzung zu realisieren. Mit über 300 gebauten Spitälern weltweit ist IttenBrechbühl besonders stark im Gesundheitswesen, aber auch in anderen Sparten wie Bildung und Forschung, Verkehr, Industrie und Dienstleistung vertreten. Das Büro hat insgesamt 11 Standorte in der Schweiz, in Deutschland und in Luxemburg.

www.ittenbrechbuehl.ch