Vectorworks – jeder Idee gewachsen

Das Paläon von Holzer Kobler Architekturen

Das Paläon in Schöningen, Niedersachsen, beherbergt die mit 300.000 Jahren ältesten erhaltenen Jagdwaffen der Menschheit. Wie schon beim Besucherzentrum für die Himmelsscheibe von Nebra in Sachsen- Anhalt gelang Holzer Kobler Architekturen das Kunststück, ein wissenschaftliches Zentrum, eine lebendige Ausstellung und ein Wahrzeichen der Region unter ein Dach zu bringe.

3d Rendering erstellt mit Vectorworks Holzer Kobler Architekturen. © Jan Bitter
Treibholz Holzer Kobler Architekturen. © Jan Bitter

Koordiniertes Handeln in der Steinzeit

Der Fund der mehreren Tausend Jahre alten Speere bei Schöningen war für den strukturschwachen Landkreis Helmstedt in Niedersachsen ein Glücksfall. Um die wertvollen Relikte standesgemäss präsentieren zu können, wurde mit 15 Millionen Euro aus Konjunkturfördermitteln in unmittelbarer Nähe des Fundorts ein Museum inmitten eines 24 ha grossen Geländes gebaut. Die unabhängigen Wettbewerbe für das Gebäude und die Ausstellung hat beide das Zürcher Büro Holzer Kobler Architekturen 2010 gewonnen.

Die hölzernen Speere aus der Altsteinzeit sind so bedeutend, weil sie das Bild vom Vorläufer des modernen Menschen revolutioniert haben: War bis dahin die Lehrmeinung verbreitet, dass Homo erectus ein kulturloses Wesen ohne Sprache war, das sich vom Sammeln von Pflanzen und Aas ernährte, vermitteln die rund 300.000 Jahre alten Wurfspeere ein völlig anderes Bild. Denn in unmittelbarer Nähe der Speere wurden die Knochen von rund 20 Pferden gefunden, die laut Ausgräber Dr. Hartmut Thieme mit diesen Speeren zur Strecke gebracht wurden. Eine erfolgreiche Jagd auf grosse, schnell fliehende Tiere ist jedoch ohne planendes Denken und ausgefeilte Koordination der Jäger mittels Sprache kaum denkbar. Womit mittels eines gezielten Speerwurfs der Mär vom primitiven, grunzenden Vorfahren nicht nur der Niedersachsen endgültig der Garaus gemacht wird.

Reflexion und Bewegung

Das Büro wurde 2004 von Barbara Holzer und Tristan Kobler in Zürich gegründet und hat seit 2012 einen zweiten Standort in Berlin. Architekt Volker Mau, Projektleiter für das Paläon nach dem Gewinn des Wettbewerbs, hebt drei Aspekte hervor, die die Arbeitsweise bei Holzer Kobler charakterisieren:

„Ein zentrales Prinzip ist für uns die Auseinandersetzung mit dem Thema und dem Ort. Unser Ziel ist es, etwas Einzigartiges zu errichten. Dafür nehmen wir unter anderem Elemente aus unseren eigenen Arbeiten und aus thematisch relevanten Bildern auf und collagieren diese – setzen sie auf eine neue Art zusammen, so dass ein spezifischer räumlicher Lösungsansatz entsteht.“

„Unser Ziel ist es, etwas Einzigartiges zu errichten.“

Das bedeutet auch, dass unter Umständen eine endgültige Lösung zunächst bewusst ausgeklammert wird. Diese entsteht erst in einem Dialog, der etwa mit dem Auftraggeber oder auch weiteren Projektbeteiligten geführt wird. „Erst wenn wir den Ball immer wieder hin und her spielen, nähern wir uns den Lösungen, die dem eigentlichen Zweck eines Gebäudes entsprechen“, führt er aus.

Und schliesslich misst man bei Holzer Kobler grosse Bedeutung der Bewegung zu, mit der ein Raum erfahren wird. Letztlich beruht jeder Gebrauch eines Raumes auf Bewegung und es geht den Zürcher und Berliner Architekten daher weniger um statische Wirkung. Gerade bei Ausstellungen steht der Weg im Zentrum und was die Besucher an den verschiedenen Stationen erfahren und erleben.

Holzer Kobler Architekturen Holzer Kobler Architekturen. © Jan Bitter

Holzer Kobler Architekturen
Gründung: 2004 von Barbara Holzer und Tristan Kobler
Standorte: Zürich und Berlin
Mitarbeiter: 50
www.holzerkobler.com

Paläon
Neubau Forschungs- und Erlebniszentrum
Schöninger Speere
Projektleiter: Volker Mau
Bauherr: Stadt Schöningen
www.palaeon.de

Ein Haus für die Sperre

Als Wettbewerbsbeitrag legte Holzer Kobler Architekturen der Fachjury den Entwurf eines dreigeschossigen Baukörpers vor, dessen metallene Fassade einerseits einen starken Kontrast zur unbebauten Umgebung bildet, gleichzeitig die Landschaft in abstrakter Form reflektiert und so mit ihr als Camouflage verschmilzt. „Weil das Paläon und was es repräsentiert so stark von der Landschaft geprägt war, haben wir uns früh dafür entschieden, die Fassade des Gebäudes vollständig dem Ort unterzuordnen.

Die Grundidee war, das Gebäude zum Spiegel der Landschaft zu machen, und diese Idee haben wir dann eigentlich auf die Spitze getrieben“, erinnert sich Mau. Das Konzept der Parkanlage beruht darauf, dass sich hier in rund
80 Jahren der Ort in ähnlicher Weise präsentiert, wie er zum Zeitpunkt der Entstehung der Schöninger Speere aussah. In voraussichtlich drei Jahren werden die Pumpen in der ehemaligen Braunkohlegrube endgültig abgeschaltet und das ansteigende Wasser wird dann langsam zu einem See in einer Waldlandschaft.

Bei der Entscheidung der niedersächsischen Fachjury zugunsten des Projekts dürfte die verblüffende Wirkung des charakteristischen Gebäudes, die es zu einer echten Sehenswürdigkeit macht, eine Rolle gespielt haben. Genauso stark ins Gewicht fielen wohl die ausgeklügelten inneren Prozesse des Projekts. Beim Paläon werden verschiedene Gebäudeteile so kompakt aneinandergefügt, dass Synergien entstehen. Beispielsweise beim Besucherlabor, wo das interaktive Lernen und Verstehen die Schnittstelle zwischen der Ausstellung und den echten Forschungslaboren bildet.

Jäger und Beute sind weitere Themen, die die Gestaltung des
Gebäudes beeinflusst haben. Wer genau hinsieht, ahnt vielleicht,
wo das gefaserte Fleisch der erlegten Pferde seine Spuren hinterlassen hat. Die Speere selbst mit ihren asymmetrischen Spitzen glaubt man in
der Form der grossen Fenster wiederzuerkennen. Diese scharfen Einschnitte in der Gebäudehülle inszenieren immer wieder Ausblicke zur Fundstelle der Speere und zur Grube des Braunkohletagebaus, zur nahen Waldlandschaft und den weidenden Przewalski-Pferden, was sie zu einem faszinierenden Teil der Ausstellung macht.

Vectorworks – jeder Idee gewachsen

Die Mitarbeiter von Holzer Kobler Architekturen arbeiten seit der Gründung 2004 mit Vectorworks Architektur. Auch das Paläon wurde vollständig mit dieser CAD-Software geplant.
Mau schätzt besonders die Flexibilität des Programms: „Vectorworks ist sehr intuitiv zu bedienen und man findet sich schnell darin zurecht. In unserem Büro geht es darum, auch unkonventionelle Lösungsansätze zu Papier bringen zu können. Dabei kommt uns die Arbeitsweise in Vectorworks entgegen. Im Programm wird einem nicht vorgeschrieben, wie man zum Ziel kommt, sondern man kann verschiedene Wege gehen.“ In vielen Planungssituationen macht diese Eigenschaft Vectorworks sehr effizient:
„Mit Vectorworks komme ich zum Beispiel sehr schnell zu meiner gewünschten Pfosten-Riegel-Fassade, die sich anpassen lässt: Man fügt einfach ein Feld hinzu oder entfernt eines, das Raster
passt sich automatisch an“, meint Mau.

„Im Programm wird einem nicht vorgeschrieben, wie man zum Ziel kommt, sondern man kann verschiedene Wege gehen.“

Das Paläon hat bis heute zahlreiche Besucher nach Schöningen gezogen, darunter viele Schulklassen. Dazu tragen auch zahlreiche Angebote und Veranstaltungen bei, wie Konzerte, Sonderausstellungen, Vortragsreihen, Sportevents und einiges mehr, das die mittlerweile fast 200.000 Besucher bei Laune hält. Die Besucherzahlen beweisen, dass das Konzept des Paläons aufgeht. Und davon profitiert die ganze Gegend, die touristisch durchaus auch anderes zu bieten hat.